Das 7:1 von Deutschland gegen Brasilien bei der Fußball-WM 2014 war der Einbruch des Unwahrscheinlichen – und der Kommentator des ZDF, Belà Rety, blieb stur bei seinem bodennahen Stotterrealismus, diesem anämischen Fehlervermeidungsgestus, der auch den deutschen Film, die deutsche Literatur, die Gesellschaft generell und politisch die Merkel-Republik durchdringt. Er konnte nicht anders. Wie episch dagegen die BBC: "This is a test of character for the Brazilians", sagte der Kommentator schon früh im Spiel. Er riss damit einen Handlungsraum auf, er verwandelte die Akteure in Charaktere, er machte die Wirklichkeit lesbar, indem er ein Narrativ erfand, in das man sich als Zuschauer einklinken konnte. Denn unsere Gegenwart ist durchdrungen von einer Narrationskultur, die den Deutschen allerdings fremd ist. Das alles zeigt diese aufregende und tiefgehende Analyse von Katti Jisuk Seo und Mark Wachholz, die nicht nur ein historisches Spiel noch einmal lebendig macht und dabei extrem unterhaltsam ist – ihr Essay besitzt auch politische Sprengkraft. Denn das Versagen von Erzählen ist auch ein Versagen von Erklären: Und beides gehört zum Wesen einer funktionierenden Demokratie.
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